Lieber Gerhard, liebe Angela,
ich habe im Mai an eurem Wochenend-Flugangst-Seminar teilgenommen und wie versprochen, wollte ich von meinen bisherigen Erfahrungen berichten. Meine Eltern haben mir dieses Seminar zum 25er geschenkt, in einem Bilderrahmen der Gutschein mit den Worten, dass sie stolz auf mich sind, dass sie mir viel Freude damit wünschen und dass ich keinen Erfolg erbringen muss. Dazu der Spruch „Sich Sorgen zu machen ist wie im Schaukelstuhl zu sitzen. Es beschäftigt einen, bringt einen aber nirgendwo hin“ von Glenn Turnen. Ich habe mir diesen Bilderrahmen aufgestellt, er ist meine Inspiration.
Und das Seminar hat mir dann tatsächlich so viel mehr als nur Freude gebracht, ihr habt eine so angenehme Atmosphäre geschaffen und so einen tollen Mix aus psychotherapeutischen Tricks und technischen Details gebracht- gepaart mit eurem Einfühlungsvermögen (und dem coolen Simulatorflug!) war es ein wirklich großartiges Wochenende. Ich hatte tatsächlich bald danach ein Flugticket statt einem Zug-Ticket an der Kühlschranktür kleben. Mein Freund und ich sind Ende Juni nach Salzburg geflogen, ich konnte mich nach vielen Jahren ohne Flug „nur“ zu einem kurzen Flug entschließen, für den kein Rückflug notwendig ist- und da war Salzburg ideal. Vor einigen Jahren wollte ich schon mit meiner Mama für einen Kurzurlaub irgendwohin fliegen- daraus ist nichts geworden, weil ich schon bei der Buchung in Tränen ausgebrochen bin. Diesmal konnte ich buchen und es war ok! Ich habe dann versucht jede „Hürde“ wie die Fahrt zum Flughafen oder das Einchecken als kleinen Sieg zu sehen, das hat mir geholfen, gedanklich im Jetzt zu bleiben. Es war Regen angesagt, aber zum Zeitpunkt des Flugs war es plötzlich strahlend schön und da wir tief geflogen sind, konnte ich die ganze Zeit die Landschaft bewundern. Ich war nicht gerade entspannt, aber die technischen Details aus dem Kurs haben mir sehr geholfen, gemeinsam mit den Rescue-Tropfen in Reichweite. Mein Freund ist Flugzeug-begeistert und hat mit mir die ganze Zeit über „gefachsimpelt“- so ist die Zeit flott vergangen. Wie ihr empfohlen habt, habe ich ihm gesagt, wie er mir helfen kann, statt mich total zu verkrampfen und ihn auszublenden, wie ich es sicher gemacht hätte. Ich glaube, dass das auch für ihn gut war, ein bisschen helfen zu können. Wir hatten ein herrliches Wochenende in Salzburg!
Um daran anzuknüpfen, haben wir uns einen Sommerurlaub ausgesucht, der mit einem kurzen Flug zu verknüpfen ist, aber mit Hin- und Rückflug und diesmal einer größeren Maschine- quasi meine Steigerung. Also sind wir nach Dubrovnik geflogen. Beim Hinflug wurden gleich Turbulenzen angesagt, was mich zwar gestresst hat, allerdings wusste ich aus dem Kurs, dass sie nicht gefährlich sind. Ich habe mir die technischen Details wieder alle rausgesucht und mit diesen ging es besser. Mein Ziel war, mich auch anders abzulenken, als nur aus dem Fenster zu starren und ich habe es geschafft etwas zu essen, zu trinken und Sudoku zu lösen. Beim Rückflug ist zu Beginn das Licht in der Kabine ausgegangen und bis zur Landung nicht mehr angegangen. Zum Glück wusste ich, dass es mehrere Stromkreise gibt und so ist die ultimative Panik ausgeblieben. Diesmal gab es dafür keine Turbulenzen. Dieser Flug war noch ein wenig besser als der Hinflug, ich konnte alleine Sudoku lösen und Musik hören und sogar die Hand meines Freundes auslassen (der Ärmste hatte viel zu tun mit mir). Und jetzt mein Highlight: der Pilot hat während des Flugs so eine nette Durchsage gemacht, uns erklärt was wir unter uns gerade sehen usw. und durch diese Durchsage von einem absolut entspannten Piloten, war ich plötzlich auch richtig entspannt (schließlich würde er ja nicht mit uns plaudern, wenn es ein Problem gäbe, mir ist wieder Flight-Navigate-Communicate eingefallen). Wir waren einer der letzten Passagiere, die ausgestiegen sind und ich habe den Flugbegleiterinnen erzählt, dass ich Flugangst habe, ein Seminar besucht habe und dass ich die Ansage des Piloten so nett gefunden habe, ich habe sie gebeten, mich in meinem Namen bei ihm zu bedanken. Sie waren super nett und meinten, ich soll es doch persönlich sagen, also durfte ich mich persönlich bedanken und ins Cockpit lugen (ich glaube es war sogar ein Airbus A320)- das war sehr cool für mich. Der Pilot hat sich wirklich für mich gefreut und hat gefragt, ob sie „eh gut geflogen sind“- wie gesagt, das war mein Highlight!
Das Seminar hat mir eine 180 Grad Drehung ermöglicht- davor war es ein Ding der Unmöglichkeit überhaupt zu buchen, geschweige denn tatsächlich zu fliegen und nun kann ich sagen: der nächste Flug kommt ganz bestimmt 😊 Wir würden gerne bald nach Paris und im Sommer dann vielleicht nach Griechenland- und irgendwann vielleicht sogar noch weiter weg- uns fallen da ganz viele Ziele ein. Ich danke euch herzlich für eure großartige Hilfe auf meinem Weg raus aus der Flugangst, ich habe viel gelernt, mich viel getraut, bin aber noch nicht ganz am Ziel, denn ich hoffe, dass ich mich in Zukunft noch besser werde entspannen können- es ist einfach ein Prozess.
Im Winter möchte mein Vater seinen Geburtstags-Simulatorflug-Gutschein einlösen, vielleicht sieht man sich da zufällig.
Herzliche Grüße,
Julia